"Die Wirtschaft geht den Bach runter und ich mit ihr!" – "Ich bin Risikopatient und darf kein Corona bekommen!" – "Ich darf meine Eltern nicht anstecken!" – "Ich weiß nicht, wohin mit meinem Kita-Kind!" – "Ich habe Angst, meinen Job zu verlieren." – "Wir haben noch Ressourcen für zwei Wochen, dann müssen wir Insolvenz anmelden!"
Die Sorgen und Nöte vieler Menschen in der Coronakrise sind groß. Existenzängste machen sich breit, weltweit. Funktioniert da noch das Konstatierende Aufmerksame Wahrnehmen (KAW) aus der Introvision, um ruhiger und gelassener zu werden, um Ängste abzubauen? Hat die Introvision auch in dieser besonderen Zeit etwas zu sagen? Mit dieser Fragestellung sind wir in unser neues Format gestartet, den Web-Talk Introvision. Wir, das sind fünf Mitglieder von Introvision e.V., die den Anfang gemacht haben. Wir haben uns gefragt, was geschieht, wenn wir KAW anwenden, um auf unser aktuelles (Un)Wohlbefinden einen weit gestellten Blick zu werfen. Wir haben es gemeinsam ausprobiert im virtuellen Meeting - für fünf Minuten und dann reflektiert.
Die fünf folgenden Statements, jeweils in fünf Sätzen, entstanden nach unserer Wahrnehmungsübung. Das KAW hat uns ruhiger gemacht, fanden wir in unserer Feedbackrunde heraus. Für einen klaren Blick sorgen, auf das Wesentliche schauen, die Imperative dieser Zeit aufdecken bzw. reflektierend wahrnehmen und das am besten noch in der sozialen Interaktion, das kann der Krise trotzen.
Der Web-Talk Introvision geht weiter mit Themen, die aus der Gruppe kommen. Je nach Thema öffnet sich der Web-Talk auch für interessierte Nicht-Mitglieder.
5 Menschen – 5 Sätze zu dieser Zeit
Was machen all die Berichte, die Zahlen, Daten und Fakten zur Verbreitung des Virus mit uns, mit mir? Wieso hören wir von Verschwörungstheorien plötzlich aus allen Teilen der Gesellschaft? Es scheint mir, als seien in der Krise die Lauten noch lauter, die Leisen noch leiser, die Ängstlichen noch ängstlicher, die Mutigen noch mutiger, die Kranken noch kränker. Ich warte nicht darauf, dass Andere Entscheidungen über meine Zukunft treffen, ich treffe meine Entscheidungen selbst und tue was ich tun kann – nicht demnächst, sondern jetzt.
Die Krise als Brennglas; das ist interessant, aufregend und auch ärgerlich. Trotz allem scheinbar Unvorhersehbaren bleibt leider vieles vorhersehbar. Es kann sein, dass es vorher auch schon so war! Die Wahrnehmung weitgestellt, nicht wertend, offen und neugierig, den Fokus mal auf das individuelle, mal auf das gesellschaftliche Erleben; möglichst wenig Introferenz! Das ist aktuell eine Herausforderung.
Reicht weit stellen auf die Phänomene in dieser Zeit? Wie gehen wir mit den vielen neuen Imperativen um, die von außen gesetzt werden? Mit der Introvision werde ich mutiger, Fragen zu stellen, ohne sofort Antworten zu erwarten. Ich möchte im Gespräch bleiben, weit gestellt, über das Gute und Schwere, das Erlaubte und Nicht-Erlaubte, Erkenntnisse und Nicht-Wissen. Nur dann bleiben wir lebendig und eine wache, offene Gesellschaft.
Selten war es spürbarer wie es ist, zu erleben und zu ertragen, dass man wenig Genaues wirklich weiß. Selten war es deutlicher, wie sehr der menschliche Geist dazu neigt, Nicht-Wissen mit Spekulationen aufzufüllen, weil er nach Sinn strebt und sein Gehirn nach Kohärenz der eigenen Story giert, die seine Angst zu dämpfen vermag. Selten war es bedeutsamer, sich als Teil eines Ganzen zu begreifen, um seinen Spielraum für eigenverantwortliches Handeln zu erkennen, auch um das Wohlergehen der Anderen im Blick zu haben. Selten war es wichtiger, sich die Welt nach C. auszudenken und mit anderen im gewaltfreien Dialog zu entwickeln. Selten habe ich mir derart Sorgen um meine Kinder und Kindeskinder gemacht und den Fußball so wenig vermisst…!
Uwe Riebling, Angela Rohde, Melanie Them, Ulla Evers und Joachim Wolf